Fachinformation zu natürlicher Radioaktivität in gießerei-chemischen Produkten

Mit der Anfang Dezember 2018 veröffentlichten Verordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts wurde in Deutschland das Strahlenschutzrecht umfassend novelliert.
Vor dem Hintergrund, dass natürlich vorkommendes radioaktives Material – also natürliche Radionuklide – in gießerei-chemischen Produkten als Begleitstoff vorkommen kann, wurde eine Informationssammlung erstellt. Sie soll mögliche Fragen in diesem Kontext beantworten und Zugang zu weiterführenden Informationsquellen bieten.

Hintergrund der Kommunikation

Am 5. Dezember 2018 wurde im Bundesgesetzblatt Teil I (Nr. 41, S. 2034) die „Verordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts“ veröffentlicht, deren Artikel 1 die neue „Verordnung zum Schutz vor ionisierender Strahlung“ (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV) ist. Die StrlSchV konkretisiert die Vorgaben des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG), mit dem die Vorgaben der europäischen Richtlinie 2013/59/Euratom umgesetzt wurden. Die StrlSchV trat am 31. Dezember 2018 in Kraft. Damit wurde das Strahlenschutzrecht in Deutschland umfassend novelliert. Ein Teilaspekt des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) sind Regelungen zu Stoffen, die eine natürliche Radioaktivität aufweisen.

Gießerei-chemische Produkte mit natürlicher Radioaktivität

Natürliche Radioaktivität ist durch Radionuklide natürlichen Ursprungs bedingt. Diese Radionuklide sind bereits seit Entstehung der Erdmaterie (Minerale) in der Natur vorhanden. Prinzipiell sind deshalb vier Klassen gießerei-chemischer Produkte, die natürlich vorkommende Radionuklide beinhalten können, als Strahlungsquelle von der Änderung des StrlSchG und den Vorgaben der neuen StrlSchV betroffen:

  • Gießereisande
  • Schlichten
  • Feuerfestmaterialien
  • anorganische Bindersysteme

Anforderungen aus dem deutschen Strahlenschutzrecht

Bezüglich natürlich vorkommender Radioaktivität fordert das deutsche Strahlenschutzrecht konkrete Maßnahmen zum Schutz beruflich exponierter Personen über den allgemeinen Vorsorgegrundsatz hinaus nur in Abhängigkeit bestimmter Voraussetzungen.

1. Beschränkung auf bestimmte Tätigkeitsbereiche

  • § 55 Absatz 1, sowie Anlage 3 StrlSchG Die “Verarbeitung zirkonhaltiger Stoffe bei der Herstellung feuerfester Werkstoffe“ wurde als Tätigkeitsbereich, bei dem ggf. Strahlenschutzmaßnahmen nötig sein können, neu in das Strahlenschutzrecht aufgenommen. Aufgrund dieser Änderung ergeben sich Anforderungen an eine Abschätzung von Strahlenexpositionen gemäß § 55 StrlSchG, für die es Übergangsvorschriften bis zum 31.12.2020 gibt. Ergibt diese Abschätzung, dass die effektive Dosis den Wert von 1 Millisievert im Kalenderjahr (1 mSv/a) überschreiten kann, sind nach § 56 StrlSchG weitere Maßnahmen erforderlich.

2. Produktverantwortung bei Waren

  • § 153 Absatz 1 StrlSchG Hersteller, Lieferanten, Verbringer oder Eigentümer von Waren, die als Folge ihrer Radioaktivität eine „sonstige bestehende Expositionssituationen“ verursachen können, werden als verantwortlich benannt. So werden in der Lieferkette von gießerei-chemischen Produkten neuerdings Hinweise auf schwache Radioaktivität infolge enthaltener natürlich vorkommender Radionuklide kommuniziert. Unabhängig davon gilt: Abfälle, die aus dem Einsatz gießerei-chemischer Produkte mit natürlicher Radioaktivität entstehen, sind keine radioaktiven Rückstände nach § 5 Absatz 32 sowie Anlage 1 StrlSchG.

Gefährdung und Gefährdungsminimierung

Die natürliche Strahlenbelastung für Menschen setzt sich aus der äußeren terrestrischen und kosmischen Strahlenexposition („Hintergrundstrahlung“) und der inneren Strahlenexposition durch die Aufnahme natürlicher Radionuklide über Atmung oder Nahrung zusammen. Grundsätzlich ist jeder Mensch einer Hintergrundstrahlung aus natürlichen Quellen ausgesetzt, die je nach Region stark schwanken kann. In Deutschland ergibt sich z.B. im Mittel eine natürliche Strahlenbelastung von 2,1 Millisievert pro Jahr (mSv/a), die aber je nach Wohnort, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten zwischen 1 mSv/a und 10 mSv/a schwanken kann [vgl. BfS-Webseite: „Radioaktivität in der Umwelt“]. DISCLAIMER: Diese Zusammenstellung von Fachinformation für die Praxis zum betrieblichen Umgang mit gießerei-chemischen Produkten, die natürliche Radionuklide enthalten, entbindet in keinem Fall von der Verpflichtung zur Beachtung der gesetzlichen Vorschriften. Die vorliegende Informationssammlung wurde mit großer Sorgfalt erstellt. Dennoch übernehmen die Verfasser und der Industrieverband Gießerei-Chemie e.V. keine Haftung für die Richtigkeit der Angaben, Hinweise, Ratschläge sowie für eventuelle Druckfehler. Zusätzlich zur natürlichen Hintergrundstrahlung kann man durch Anwendung von Radioaktivität in der Medizin (Röntgendiagnostik < 0,01 – 1 mSv) und Technik zusätzlichen Strahlendosen ausgesetzt sein. Medizinische Anwendungen machen dabei fast die Hälfte der durchschnittlichen jährlichen Strahlenbelastung aus, technische Alltags-Anwendungen (z.B. Handgepäck-Sicherheitskontrollen) verursachen i.d.R. eine deutlich geringere Strahlenbelastung [vgl. BfS-Webseiten: „Anwendungen in der Medizin“; „Anwendungen in Alltag und Technik“].

Durch den Strahlenschutz sollen zusätzliche Strahlenexpositionen, soweit praktisch möglich, reduziert werden. Eine Zusatzbelastung von weniger als 1 Millisievert im Kalenderjahr (mSv/a) erfordert keine speziellen Strahlenschutzmaßnahmen. Bei Verwendung von gießerei-chemischen Produkten, die natürliche Radioaktivität aufweisen, können folgende Arten der Exposition vorkommen:

1. Exposition gegenüber einer externen Strahlungsquelle

  • Beeinflusst durch Menge, Abstand, Abschirmung und Expositionsdauer

2. Inkorporation durch Inhalation

  • Einatmen von Materialstäuben mit natürlicher Radioaktivität

Die Verarbeitung gießerei-chemischer Produkte, die natürliche Radioaktivität aufweisen, ist zunächst anhand der Angaben im Sicherheitsdatenblatt des Herstellers zu prüfen. Aufgrund des Vorsorgegrundsatzes ist eine auf den jeweiligen Arbeitsplatz und die Tätigkeit bezogene Expositionsbetrachtung gemäß § 55 StrlSchG durchzuführen. Weitere Maßnahmen nach Strahlenschutzrecht sind nicht erforderlich, sofern eine effektive Dosis von 1 mSv pro Kalenderjahr nicht überschritten wird. Maßnahmen nach dem Arbeitsschutzrecht, z.B. im Hinblick auf das Einatmen von Stäuben, bleiben davon unberührt. Erst oberhalb einer effektiven Dosis von 1 mSv pro Kalenderjahr sind ggf. Anforderungen nach dem Strahlenschutzrecht zu erfüllen (z.B. Anzeige gegenüber der Behörde, Bestellung von Strahlenschutzbeauftragten). Der Grenzwert für die effektive Dosis zum Schutz von beruflich strahlenexponierten Personen beträgt 20 mSv/a (§ 78 Absatz 1 StrlSchG), wobei für besonders schutzwürdige Personengruppen geringere Grenzwerte gelten. Bei Tätigkeiten mit gießerei-chemischen Produkten, die natürliche Radioaktivität aufweisen, wird dieser Dosisgrenzwert bei fachgerechtem Arbeiten und Einhaltung des Arbeitsschutzes nicht erreicht! Die maßgebliche Handlungsempfehlung zur Dosisreduzierung besteht demnach vor allem in der Minimierung der Staubbelastung und einer Abstandsregelung. Dauerarbeitsplätze sollten sich beispielsweise nicht in unmittelbarer Nähe des Formenlagers oder Vorratslagers befinden. Weiterhin werden folgende Arbeitsschutzmaßnahmen entsprechend der Maßnahmenhierarchie (STOP) empfohlen:

  • Lagerung separat von Arbeitsplätzen, räumliche Trennung
  • Automatisierung von Prozessschritten
  • Abschirmung, Einhausung, Kapselung
  • Maximierung von Abständen
  • Lokale Absaugung, Optimierung des Raumluftwechsels
  • Optimierung der Prozesse im Hinblick auf die Staubentwicklung
  • Reduzierung der am Arbeitsplatz bevorrateten Mengen
  • Keine unnötigen Personen an den Arbeitsplätzen, Zutrittskontrolle
  • Beschränkung der Expositionsdauer (Arbeitszeit im Gefahrenbereich)
  • Atemschutz (nachrangig zu technischen & organisatorischen Maßnahmen)

Darüber hinaus ist sowohl die Überwachung der Exposition erforderlich als auch eine mögliche Freisetzung in die Umwelt (Abluft, Abwasser) zu kontrollieren.

Gesamteinschätzung

Das deutsche Strahlenschutzrecht geht davon aus, dass eine Zusatzbelastung von 1 mSv/a durch berufsbedingte Exposition ohne weitere Maßnahmen toleriert werden kann. Über den allgemeinen Vorsorgegrundsatz hinaus sind bei Einhaltung dieser Zusatzbelastung somit keine konkreten Maßnahmen nach StrlSchG und StrlSchV im Zusammenhang mit dem beruflichen Strahlenschutz erforderlich (z.B. Anzeige bei der zuständigen Behörde, Bestellung von Strahlenschutzbeauftragten).

Literatur- / Informationsquellenverzeichnis

Giesserei-Lexikon, Herausgeber & Redaktion: Foundry Technologies & Engineering GmbH; Link: https://www.giessereilexikon.com/

Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz – StrlSchG) vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966); Link: http://www.gesetze-im-internet.de/strlschg/index.html

Verordnung zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV) vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2034, 2036); Link: http://www.gesetze-im-internet.de/strlschv_2018/index.html

EU-Richtlinie zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung (RICHTLINIE 2013/59/EURATOM) vom 5. Dezember 2013 (EU-Amtsblatt 2014, L 13, S. 1); Link: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32013L0059

„Merkblatt zum Umgang mit Zirkonsanden in Eisen‐ und Stahlgießereien, Glaswerken und Betrieben der Feuerfestindustrie“; Staatliche Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft, Sachsen 2011; Link: Zirkonsandmerkblatt.pdf

Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Willy-Brandt-Straße 5, D-38226 Salzgitter – verschiedene Webseiten, u.a. „Radioaktivität in der Umwelt“: http://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/umwelt_node.html

„Anwendungen in der Medizin“

„Anwendungen in Alltag und Technik“

“Radiation Protection and NORM Residue Management in the Zircon and Zirconia Industries”; Safety Reports Series No. 51, International Atomic Energy Agency (IAEA), Wien 2007; Link: https://www.iaea.org/publications/7673/radiationprotection-and-norm-residue-management-in-the-zircon-and-zirconia-industries

„Ermittlung und Bewertung der Strahlenexposition an Arbeitsplätzen mit natürlich vorkommenden radioaktiven Materialien (NORM)“ Bundesamt für Strahlenschutz, Vorhaben Nr. 3616S12343. Nuclear Control & Consulting GmbH, Braunschweig September 2017; Link: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/fkz_361 6_S_12343_strahlenexposition_arbeitsplaetze.pdf

Beste verfügbare Techniken (BVT) in ausgewählten industriellen Bereichen Teilvorhaben 3: Gießereien, Volume 3: Technikerhebung 2012, Umweltbundesamt Forschungskennzahl 3710 44316 TV 3; Durchführung der Studie: Institut für Gießereitechnik gGmbH, Dessau Dezember 2014; Link: Innovative Techniken Vol. 3

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Dr. Sarah Saeidy-Nory

Geschäftsführerin IVG
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